Der unverhoffte Ballonflug nach Liechtenstein
1823
Einige Schüler der Abenteurer Akademie Europas machten jüngst eine spannende Wiederentdeckung in den alten Archiven des ACE. Bei dem Fundstück handelt es sich um das Forschungstagebuch einer bislang unbekannten Ballonexpedition der Flugpioniere Eckbert und Kaspar Eulenstein aus dem Jahre 1823. Laut ihren Aufzeichnungen planten die Brüder eine Heißluftballon-Expedition nach England, um Flugexperimente durchzuführen, die Auf- und Abwinde über Land wie Meer zu beobachten und das Flugverhalten der Vögel aus nächster Nähe zu studieren. Die Winde standen günstig, als die beiden auf dem Vorplatz des Voletariums, ihrer Werkstatt am Fuße des Schwarzwalds, den Heißluftballon bestiegen.
Doch dann geschah etwas völlig Unerwartetes, wie Eckbert vermerkte:
„Wir hatten gerade eine gute Flughöhe erreicht und hätten uns aller Logik und aller präzisen Berechnungen nach gen Nordwesten bewegen sollen, als wir urplötzlich von einer starken Luftströmung erfasst wurden, die uns in die entgegengesetzte Richtung blies! Es ist gänzlich unerklärlich.“
Die Brüder konnten nur erstaunt zusehen und eifrig Notizen machen, als sie in einer geraden Fluglinie über die Schweiz getragen wurden. Kaspar schrieb nieder:
„Wir sind nun seit fast zwei Stunden mit etwa konstanter, zügiger Geschwindigkeit unterwegs. Der Wind, der uns trägt, scheint nur auf den Ballon zu wirken; die Vögel um uns herum scheinen von der Strömung nicht beeinträchtigt zu sein, es ist überaus kurios!“
Als die Luftströmung schließlich langsam nachließ, befanden sich die Brüder über den Alpen. Bald entdeckten die Eulensteins einen auffälligen, meterhohen grünen Lichtkegel, der von einem der Berggipfel nach oben ausstrahlte und bis weit in die Ferne sichtbar war. Mit sehr hastiger Handschrift ist Kaspars Beschreibung der dann folgenden, aufregenden Ereignisse festgehalten:
„Der Wind, der uns bis hier leitete, lässt zunehmend nach und wir sinken deutlich! Denkbar ungünstige Stelle, inmitten von hohen Bergkämmen – und dazu fahren wir genau auf das mysteriöse grüne Licht zu! Jeder Versuch, die Kontrolle zu gewinnen, ist bisher gescheitert. Wir können nicht steuern, nur hoffen und abwarten …“
Die Sorge stellte sich als glücklicherweise bald als unberechtigt heraus, denn die nächsten Einträge der Brüder beschreiben, dass der Ballon sich beinahe selbstständig und sicher auf einem hohen Berggipfel absetzte. Rekonstruktionen der Route verraten uns heute, dass es sich hierbei um den höchsten Berg Liechtensteins, den Grauspitz, handelte, der zur damaligen Zeit wegen seiner steilen, unwegsamen Berghänge unerklimmbar war.
Eckbert schrieb:
„Wir haben unweit des hellgrünen Lichtphänomens gänzlich unverletzt auf dem Bergkamm aufgesetzt. Das Strahlen ist hier noch intensiver und hat eine ungewöhnliche Anziehungskraft. Nach kurzer Beratung haben wir beschlossen, das bemerkenswerte Phänomen vorsichtig von Nahem zu besehen.“
Unglücklicherweise enden die Aufzeichnungen der Lichterscheinung hier. Die nächsten Belege, die dem Club vorliegen, beschreiben erst wieder die Rückreise mit dem Heißluftballon. Die Eulensteins verschwiegen allem Anschein nach selbst in ihren privaten Forschungsaufzeichnungen, was sie auf ebenjenem Berg vorfanden und was die Erkenntnisse waren, die sie dort in Liechtenstein erlangten. Jedoch steht fest, dass dieser Ausflug sie sowohl in ihrer Überzeugung bestätigte, dass sie ein steuerbares Fluggerät entwickeln müssten, um nie mehr Spielball der Winde zu werden, als auch essentielle Einblicke ermöglichte, die es ihnen erlaubten, diesen Plan nur zwei Jahre später erfolgreich umzusetzen.
Der ACE plant zur Erforschung der außergewöhnlichen Geschehnisse in naher Zukunft eine Reihe von Ballonexpeditionen in Liechtenstein, um den Ausflug der Eulensteins zu rekonstruieren und den geheimnisvollen Phänomenen auf die Spur zu kommen.